Schokolade ist katholisch

Otto von Blomberg klärt beim Heimatverein über eine denkwürdige päpstliche Entscheidung auf

Rehren. Die Menschheit schreibt das Jahr 1569 und Papst Pius V. hat seine Kardinäle um sich versammelt, um ihnen wortreich seine Pläne für einen Kreuzzug gegen die Türken zu erläutern. Da wird er kurz unterbrochen, denn draußen vor der Tür warten die Abgesandten der Bischöfe von Mexiko und bitten um eine päpstliche Entscheidung im großen mexikanischen Schokoladenstreit.

Schokolade?

Der Papst hat andere Sorgen, er weiß nicht einmal, wie Schokolade schmeckt. Aber er nimmt dennoch einen Schluck – und spuckt die bittere Brühe angewidert wieder aus: „Dieses Zeug bricht kein Fastengebot.“

Und damit, so erzählt es Otto von Blomberg beim Heimatverein-Vortrag, habe der Siegeszug der Schokolade begonnen. Unumstritten ist sie nicht, denn sie ist religiös aufgeladen: Die Jesuiten lieben sie (kein Wunder, sie betreiben auch den höchst lukrativen Kakao-Handel), die Dominikaner gehen gegen sie auf die Barrikaden, weil sie eine aphrodisierende Wirkung vermuten; sie wittern, sagt von Blomberg, eine Venusspeise.

 

Anfangs scheint die Schokolade bestenfalls brauchbar gegen Krankheiten wie Pest oder Cholera, aber da sich die Kakaobohne mit Gewürzen wie Zimt oder Anis, Amber und Moschus, aber am besten mit viel, viel Zucker anreichern lassen, geht es ihr wie später Coca-Cola: Sie wird ein reines Genussmittel und wird gern dort gereicht, wo die Emotionen Wellen schlagen, sagt von Blomberg, also bei Stierkämpfen oder Hinrichtungen. Natürlich nur auf den Logenplätzen, denn sie ist das Statusgetränk des Adels.

Und sie wird halt zum Politikum, denn in Mexiko legt sich der Bischof von Ciapas mit den Damen der feinen Gesellschaft an, die während der Fastentage ihren Kakao schlemmen. Und das nicht nur öffentlich, sondern auch während der heiligen Kommunion, erzählt von Blomberg. Ständig stören die Dienstmädchen, die während der Messe den Kakao bringen, und natürlich will der Bischof den Damen diese Frevelei verbieten. Keine gute Idee, finden die Damen und bringen den Bischof um die Ecke: Sie vergiften ihn kurzerhand, Ende der Debatte.

Die Dämme brechen, die Schokolade tritt in Europa ihren Siegeszug an, und die Entscheidung von Papst Pius dem Fünften wird von seinen fünf Nachfolgern bestätigt, denn Schokolade ist ein Macht- und vor allem Wirtschaftsfaktor geworden. Der Kakaohandel wird von den Jesuiten betrieben, und sie verdienen nicht schlecht an dem, was fast überall in Europa zum Modegetränk geworden ist, sagt von Blomberg und bringt es auf die hübsche Formel: Die Schokolade ist katholisch.

Außerdem wird die Schokolade zum Sinnbild des gepflegten Nichtstuns.

1815 entwickelt dann der niederländische Chemiker Coenraad van Houten eine Methode, um die Kakobutter besser von der Schokolade zu lösen – das Getränk wird bekömmlicher. Und als schließlich 1879 in der Schweiz die Milchschokolade erfunden wird, sagt von Blomberg, „ist aus dem einstigen Statusgetränk des Adels eine Spezialität für Kindergeburtstage und Frauenkränzchen geworden“.

Schaumburger Wurzeln hat die Schokolade übrigens auch, das liegt an Graf Wilhelm von Schaumburg-Lippe, der um 1750 eine Konzession für eine Schokoladenfabrik in Steinhude erteilt – es ist die erste in Deutschland. Der Steinhuder Bürgermeister Schwabe hatte die Schokolade in England kennengelernt und danach rund 25 Jahre damit experimentiert.

Das Geschäft läuft recht gut, bis dann der Erste Weltkrieg die Produktion stoppt. In Steinhude brennt es 1951, und damit war dann Schluss mit der Schokolade, erklärt von Blomberg. Doch in Bückeburg lässt Dr. Haie die Abführschokolade herstellen und in Stadthagen macht Café Möhling bis 1974 noch eigene Schokolade. Wenn heute in Rinteln der „Weserkies“ verkauft wird, dann deshalb, weil er in Steinhude produziert und wöchentlich nach Rinteln geliefert wird, sagt von Blomberg.

 

Von frank Westermann