Schaumburger Zeitung vom 13. März 2020

Handy von 1989 kostete 15 000 Mark

Museum Auetal besitzt mit „Pocky“ erstes deutsches Mobiltelefon

AUETAL. Wäre es damals nach der Deutschen Bundespost gegangen, hieße das Mobiltelefon heute wohl nicht Handy, sondern „Pocky“. Genau das nämlich war der Name eines im Jahre 1988 auf der CeBIT als „Handheld-Technophon“ vorgestellten und 1989 erstmals verkauften Gerätes, das von der Firma Standard Elektrik Lorenz in Stuttgart hergestellt wurde und das sich schnell zu Tausenden verkaufte.

AUETAL. Ein Handy oder Smartphone, vorzugsweise ein Apple iPhone 11 oder ein Samsung Galaxy S10, haben heute fast alle. Wer aber hat heute noch ein Pocky C450-31 mit Posthorn-Signet? Der Verein für Heimatpflege Auetal! Für dessen Chef Karl Hampel, der es im Museum an der Langenfelder Straße in einer Vitrine verwahrt, ist es das erste Handy schlechthin.

Hat das „Pocky“-Mobiltelefon 1989 für einen Bekannten in Stadthagen gekauft: Karl Hampel. Heute ist das Gerät ein Exponat in einer Ausstellung des Heimatvereins Auetal. Foto: tw
Hat das „Pocky“-Mobiltelefon 1989 für einen Bekannten in Stadthagen gekauft: Karl Hampel. Heute ist das Gerät ein Exponat in einer Ausstellung des Heimatvereins Auetal. Foto: tw

Das Gerät kostete damals stolze 15 000 Mark“, berichtet Hampel. Es benötigte eine Chipkarte, die so groß wie eine EC-Karte war und von oben in das Pocky eingeführt wurde; sie war ein Vorläufer der heutigen SIM-Karte. Das Handy arbeitete im C-Netz, zwischen 1985 und 2000 die dritte und letzte analoge Generation des Mobilfunks. Im Idealfall erfolgte während des Gesprächs ein unterbrechungsfreier Wechsel von einer Funkstation zur nächsten. Allerdings hatten sich die damaligen Telefongebühren gewaschen: Über 1,30 Mark (66 Cent) kostete zu Porky-Zeiten eine Gesprächsminute zu einem Handy.
Als der Preis für das Porky Anfang der 90er Jahre in einer Sonderaktion auf „nur noch“ 9990 Mark sank, schlug ein Bekannter des Vereinschefs, ein Fuhrunternehmer aus dem Schaumburger Land, zu. Zu diesem Zeitpunkt gab es bundesweit bereits 98 762 und im Land Berlin 2076 C-Netz-Teilnehmer.
„Mein Bekannter sagte mir begeistert: ,Zu dem Preis muss ich das Pocky haben. Wenn ich das am Mann trage, spare ich eine ganze Bürokraft ein!‘“ Gesagt, getan. Gemeinsam mit dem Vater des Bekannten kaufte Hampel das Gerät in einem Telefonladen in Stadthagen – und übergab es dem Fuhrunternehmer. Die Riesen-Chipkarte des Pockys, die erhalten geblieben ist, trägt noch heute dessen Vor- und Nachnamen sowie die damalige C-Netznummer eingraviert.
Schon bald zeigte sich jedoch, dass der Name Pocky von der Deutschen Bundespost allzu optimistisch gewählt worden war. Denn in eine „Pocket“ sprich Tasche passte das Mobiltelefon nun wirklich nicht. „Mein Bekannter trug auf seinen Lkw-Touren immer einen grauen Kittel“, erzählt Hampel. „Dessen Außentasche musste er für das Mobiltelefon eigens verstärken.“ Denn mit einem Gewicht von fast 1000 Gramm inclusive Zubehör war das klobige Gerät alles andere als ein Leichtgewicht. Und mit einer Länge von 50 Zentimetern inclusive ausgezogener Klappantenne schaute es noch dazu weit aus der Kitteltasche heraus.
Der Vereinschef: „Mein Bekannter behielt das bis 1995 gefertigte Pocky bis zu dem Zeitpunkt, da das C-Netz als letztes analoges Mobilfunknetz durch seinen Nachfolger D-Netz abgelöst wurde.“ Dann erbte Hampel den Trümmer, der seitdem einen festen Platz in der Ausstellung des Heimatmuseums Auetal hat. „Große ,Ooohhhs!‘ und ,Aaahhhs‘ höre ich immer, wenn ich das Gerät Schulklassen zeige“, schmunzelt Hampel. Die können‘s nämlich kaum glauben, dass mit dem klobigen Pocky vor etwa 30 Jahren die Geschichte des Handys begonnen hat.
Für denjenigen, der‘s ganz genau wissen will: Als Komfortleistungen hatte das Pocky 98 alphanumerische Speicherplätze für Rufnummern, Kurzwahl, Wahlwiederholung, automatische Radiostummschaltung, Display und Gebührenanzeige. Das Pocky hatte mit das umfangreichste Zubehör der frühen Handy-Geschichte. Obligatorisch waren Ladekabel und Freisprecheinrichtung mit Halterung fürs Auto. Es hatte eine Betriebsbereitschaft von acht Stunden und eine Sprechzeit von 30 Minuten.

Autor:
THOMAS WÜNSCHE