Schaumburger Zeitung vom 1. Oktober 2022
Erdgas? Von wegen: Brennholz!.
Alte Technik, neu geschätzt: Wie eine „Küchenhexe“ unabhängig macht
HATTENDORF. Ein Gasherd in der Küche gilt, zumal unter Profiköchen, als das Beste, was man an Werkzeug haben kann. Binnen Sekunden lässt sich die Flamme eines Gasherdes aufdrehen, um Speisen zu erhitzen; genauso schnell lässt sie sich runterregeln oder ganz ausschalten. Noch dazu ist offenes Feuer immer auch ein Hingucker: Das Auge isst schließlich auch mit. Daher ist ein Gasherd für viele Hobbyköche die erste Wahl. Ist? War, muss man zunehmend sagen. Denn angesichts des Russland-Ukraine-Krieges explodieren die Gaspreise, wird Kochen mit Gas ein immer kostspieligeres Vergnügen.
Wohl dem, der da noch eine antike „Küchenhexe“ im Keller hat. Eine in Norddeutschland auch Stangenofen oder Stangenherd genannte und vorzugsweise mit Brennholz befeuerte Kochstelle, wie sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und bis in die 1950er-Jahre gefertigt wurde. Das Heimatmuseum Auetal schätzt sich glücklich, ein solches Exemplar zu besitzen. Gleichsam über Nacht ist es plötzlich wieder aktuell geworden.
„Die Bezeichnung Stangenofen oder Stangenherd kommt von der Messingreling, die in Höhe der Herdplatte um das Gerät läuft und zum Trocknen der Geschirrhandtücher oder auch als Abstandshalter zur heißen Brennkammer diente“, weiß Karl Hampel. Der Chef des Heimatvereins im Ex-Schulgebäude an der Langenfelder Straße: „Wir haben die Küchenhexe seit etwa 30 Jahren in unserem Fundus und bereits seit Langem in unserer Dauerausstellung im nachempfundenen ,Esszimmer’ im Obergeschoss stehen.“ Dazu gehört die originale halbhohe Rückwand, die mit Fliesen verkleidet ist und die die Wand der Küche vor Fettspritzern schützte. Wer dem Museum das etwa 250 Kilogramm schwere Prunkstück, das als Dekorationsobjekt bei Antiquitätensammlern beliebt ist, einst wann vermacht hat, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.
Fest steht nur: „Es muss sich um ein älteres Exemplar handeln, denn die neueren hatten schon ein Thermometer an der Backofentür“, weiß Hampel. Die Küchenhexe war bei den Menschen enorm beliebt, weil sie nicht nur zum kochen, braten und backen, sondern bis zum Aufkommen der Öl- und Gasheizungen auch zum Erwärmen der Wohnung verwendet wurde. In entsprechend großen Stückzahlen wurde der Stangenofen oder Stangenherd auch produziert. „Ein Herstellername fehlt auf unserem Exemplar leider ebenso wie das Rohr zum Schornstein“, bedauert Hampel. Der Museumsleiter hat eine Küchenhexe in seiner Kindheit noch selbst in Betrieb erlebt. Wer heute noch eine solche in seinem Gartenhaus oder seiner Laube stehen hat, kann sich glücklich schätzen.
Ein Eintrag in der Online-Enzyklopädie Wikipedia erklärt die Funktion: „Stangenofen oder Stangenherd besitzen in der gusseisernen oberen Abdeckplatte mehrere runde Öffnungen zur Brennkammer. Diese sind mit ineinander gesetzten, kreisrunden und flachen Abdeckungen aus Gusseisen, den Herdringen, verschlossen. Die Herdringe können einzeln von innen nach außen herausgenommen werden, sodass eine Öffnung in der Größe des Bodens des Kochgeschirrs entsteht. Aufgesetzte Kochtöpfe, Kasserollen und Pfannen werden so direkt vom darunter brennenden Herdfeuer berührt, wodurch Energie gespart, aber auch der Boden des Kochgeschirrs durch Ruß
verschmutzt wird.“ Kommt hinzu: Ergänzend zur Küchenhexe besitzt das Heimatmuseum noch ein Waffeleisen aus schwerem Guss, das etwa gleichen Alter ist.
Waffelrezept zum Nachbacken
Das Besondere an dem Waffeleisen: „Auf dem Deckel ist ein Rezept eingraviert, das bei Besucherinnen und Besuchern immer wieder für Schmunzeln sorgt“, sagt der Leiter. Demnach braucht man für eine perfekte Waffel „1 Klg. Mehl, Zweieinviertel Liter Milch, 6 – 8 Eier, 375 G. Butter, 1 Löffel Hefe“. Na dann: Viel Spaß beim Nachbacken! Am Sonntag, 2. Oktober, ist das Heimatmuseum von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
Dr. Thomas Wünsche - Redakteur